Ran an den Speck! Das Wochenbett ist Schnee von gestern, die Rückbildung ruft! Ein 10er Kurs soll Mama jetzt also wieder zurück zu alter Stärke bringen. Was muss so ein Kurs können? Soll ich mit Kind oder ohne teilnehmen? Ab wann kann ich starten? Reicht ein Kurs überhaupt aus? Mit einigen harten Fakten und nackten Wahrheiten habe ich ja bereits im ersten Teil der Blog-Reihe die Mären über Wochenbett und Rückbildung verworfen, desillusioniert und Hetz-Propaganda betrieben! Nur um nochmal einen wichtigen Punkt in Erinnerung zu rufen: NEIN, es wird nicht so wie früher, aber anders kann ja auch besser sein! Neun Monate bereitet sich der Körper auf die Geburt vor, versorgt zwei Menschen und sichert nach der Geburt, das es deinem Baby auch weiterhin gut geht. Das Wunder Körper verdient Anerkennung, Pausen und Zeit sich langsam an die neuen Lebensumstände anzupassen. Im heutigen Blog gehe ich auf die körperlichen Veränderungen ein, die während der Schwangerschaft und nach der Geburt geschehen. Es wird sich dadurch schnell herauskristallisieren, was körperliche Rückbildung heißt und was ein guter Kurs beinhalten sollte.
Körperliche Veränderungen in der Schwangerschaft

In neun Monaten vollbringt der Körper wahre Wunder!
Dein Körper stellt sich von Kopf bis Fuß auf Schwanger ein! Neben den offensichtlichen äußerden Veränderungen, bereitet sich auch unsere Inneres auf die neuen Anforderungen vor. Unser Herz pumpt vermehrt Blut, der Stoffwechsel arbeitet für Zwei und auch unser Immunsystem sorgt sich nicht nur um dein Befinden, sondern schützt nun auch das heranwachsende Baby. Das Hormonkarussell läuft auf Hochtouren und bereitet sich auf die Geburt und die Stillzeit vor. Gleichzeitig werden auch im Gehirn neuroplastische Veränderungen vorgenommen: Während Hirnareale, die wichtig für die Hege und Pflege des Babys sind vermehrt aktiviert werden, fährt die Steuerzentrale Gehirn, Bereiche, die in nächster Zeit weniger Nutzen haben herunter.

The struggle is real!
Übrigens passieren diese Umstellungen auch beim Vater! Studien belegen auch bei Männern eine vermehrte Ausschüttung des Kuschelhormons Oxytozin. Dadurch kann Papa besser emotional und sozial mit seinem Baby interagieren. Zudem zeigen sich viele Väter durchaus solidarisch, wenn Mama wieder mal nach einem Mitternachts-Snack lüstet: So wächst Papas Bauch exponentiell mit Mamas Babybauch mit!
Sichtbare äußerliche Veränderungen der Mutter stehen im engen Zusammenhang mit dem Anstieg dieses Hormoncocktails. Bänder, Sehnen, Muskel – praktische alles Gewebe in mütterlichen Körper erweicht, um sich optimal auf die anstehende Geburt vorzubereiten.
Das weibliche Becken – Ruheoase für dein Baby, Escape-Tunnel auf dem Weg zur Familie

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Besonders für unser knöchernen Beckenring ist dieser hormonell gesteuerte Vorgang wichtig, denn bei der Geburt muss hier für das Baby Platz entstehen. Unser Becken besteht aus zwei Beckenschaufeln, die Hinten durch das Kreuzbein ( Sacrum) und Vorne durch das Schambein (Symphyse) miteinander verbunden sind. Als stabiles Kontrukt besteht die Hauptaufgabe des Beckens darin, Ausscheidungs- und innere Geschlechtsorgane zu tragen. Das Baby liegt sicher eingebettet und bewegt sich, je näher die Geburt rückt tiefer ins Becken. Die Bänder des Kreuzdarmbeingelenk (ISG/SIG Illiosacralgelenk) und die knorpelartige Struktur des Schambeins erweichen unter dem hormonellen Einfluss in der Schwangerschaft. Dadurch kann sich der Beckenring bei Geburt weiter öffnen und das Baby durch den Escape-Room-Geburtskanal den Weg auf die Welt finden.

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Die hormonelle ausgelöste Lockerung des Beckenringes kann in der Schwangerschaft Beschwerden und Funktionseinschränkungen auslösen. Stehen und Gehen erhöht den Druck auf die Strukturen und Gelenke, alltägliche Bewegungen fallen plötzlich schwer. So plötzlich die Probleme auftreten, desto schnell können sie auch wieder verschwunden sein, denn die Veränderung und Anpassung des schwangeren Körpers geht stetig weiter. Anhaltende Symptome und Beschwerden können therapeutisch behandelt werden.
Nach der Geburt passen weiterhin die Hüfthosen nicht, dennoch beginnt sich der Beckenring langsam wieder zu festigen. Das beim Stillen vermehrt ausgeschüttete Kuschelhormon Oxcytozin sorgt dennoch dafür, das Mamas Gewebe weiterhin weich und elastisch bleibt.

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Während in der Schwangerschaft körperliche Übungen in großen Ausfallschritten und hüftöffnende Positionen geübt werden können, um die Beckenöffnung zu unterstützen und die Beinkraft zu trainieren, soll darauf in der Rückbildung verzichtet werden. Übungen, mit weniger öffnenden Beinpositionen sind nun zielführend, um die Stabilität des Beckenringes wiederherzustellen.
Haltungsveränderungen in der Schwangerschaft und nach Geburt: Dem Gesetzt der Schwerkraft folgend

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In neun Monaten wächst ein neuer kleiner Mensch heran. Mama wird in dieser Zeit kugelrund, der Bauch und damit der Körperschwerpunkt verlagert sich nach vorne. Um nicht der Schwerkraft zum Opfer (um)zufallen, passt sich die mütterliche Haltung an das ständig verändernde Gewicht an. Mamas Po und Schultern fallen ausgleichend weiter nach Hinten, dadurch wird das Hohlkreuz im unteren Rücken zusätzlich verstärkt.
Muskuläre Verspannungen im Rücken, in Schultern und Nacken, in der Leiste und im Gesäß sind zurückzuführen auf die sich verändernde Haltung. Nach Geburt hat Mamas Körper die schwangeren Haltung so sehr verinnerlicht, das weiterhin das Becken nach Vorne geneigt steht und Mama im Hohlkreuz die
überdehnten Bauchmuskeln der Schwerkraft folgend nach Vorne hängen lässt.
Nach Geburt sollte viel Wert auf die Haltungsschulung gelegt werden, um den Schwerpunkt zurück an Ort und Stelle zu verlagern. Hierfür eignen sich viele Übungen im Stand, aber auch Übungen die einen Transfer in alltägliche Situationen mit Baby simuliert können gut eingebaut werden.

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Viele Rückbildungskurse trainieren diese Haltungen direkt mit Baby auf dem Arm, sitzend auf dem Bein oder sogar fliegend mit ausgestreckten Armen. Außer das sich vielleicht Mamas und Babys Laune steigert, fördern solche Übungen ansonsten leider nichts! Um ihre Haltung nachhaltig zu verändern, muss Mama konzentriert die richtige Position wahrnehmen und erstmal ohne Zusatzgewicht trainieren.
TEAM Beckenboden, Zwerchfell, Bauch- und Rückenmuskulatur: It’s all connected!
Während der Schwangerschaft wird der Beckenboden durch den Druck des wachsenden Kindes erheblich belastet. Bei der Geburt wird er stark gedehnt und/oder durch Einrisse traumatisiert.
Beckenbodentraining ist doch nur nach der Schwangerschaft und/oder im hohen, inkontinenten Alter wichtig!
Leider wird die mehrschichtige Beckenbodenmuskulatur durch eben genau diese weitverbreitete Meinung stark degradiert. Viele Männer wissen nicht einmal, das auch sie glückliche Besitzer eines Beckenbodens sind. Frauen beschäftigen sich nur nach ihrer Schwangerschaft damit oder wenn irgendwann Unten der Wasserhahn tropft! Mary Roach beschreibt in ihrem Bestseller BONK welchen qualitativen und quantitativen Mehrwert ein weiblich UND männlich starker, ausdauernder Beckenboden für das Sexualleben bedeuten kann. Und nicht nur das!

Team Player Beckenboden und Zwerchfell
Beckenboden, Zwerchfell, Bauch- und Rückenmuskulatur arbeiten als synergistische Freunde miteinander. Ist ein Mitspieler zu schwach, können auch andere Mitspieler nicht mehr effizient ihre Arbeit leisten und schlimmstenfalls werden sie durch die Mehrarbeit überlastet. Was heißt das nun? Rückenschmerzen können durch einen geschwächten Beckenboden entstehen und auch abgeschwächte Bauchmuskeln oder veränderte Atembewegungen können im Zusammenhang mit einem schwachen Beckenboden stehen.
In der Schwangerschaft werden genau diese vier Teamplayer stark beansprucht und gefordert. Die Rückenmuskulatur muss durch den veränderten Körperschwerpunkt mehr Haltearbeit leisten. Die Bauchmuskeln werden gedehnt. Auch das Zwerchfell, ein starker Atemhilfsmuskel, der den Bauchraum vom Brustkorb abtrennt wird durch das wachsende Baby nach Oben gedrückt. Dadurch hat die Lunge im Brustkorb weniger Raum sich zu entfalten; die werdende Mutter wird bei zunehmender Raumforderung des Babys kurzatmig. Auch der Beckenboden muss durch das zusätzliche Gewicht und den Druck des Babys vermehrt arbeiten.
Nach Geburt ist es besonders wichtig Aufmerksamkeit an alle vier Teamplayer zu richten. Wie bereits angedeutet übernehmen stärkere Teammitglieder Aufgaben, sie kompensieren körperliche Anforderungen. Jedoch ist ein Team nur so stark, wie sein schwächster Mitspieler! Ziel sollte es also sein, das Team als Einheit zu kräftigen!
Mama-Big-Foot: Der Mythos um die wachsenden Füße
Stimmt es, das in der Schwangerschaft die Füße wachsen? Das wäre für meinen Partner jetzt ein KO-Argument gegen seinen Schuhfaible. Laut seiner Überzeugung, sind Schuhe eine Investition bis ins hohe Alter, denn der Köper verändert sich stetig, nicht aber die Schuhgröße!
Unser Fuß ist ein statisches Meisterwerk! Das knöcherne Fußgewölbe ist vergleichbar mit der Statik einer Bogenbrücke. Jeder Knochen ist so angeordnet, das Lasten optimal verteilt werden. Unsere Weichteile – Sehne, Bänder, Faszien und Muskeln – halten das Gewölbe aufrecht und verhindern ein Absinken in den, für Fussfetischisten und High-Heels-Liebhaber, unästhetischen Plattfuß.

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In der Schwangerschaft müssen unsere Füße durch die Gewichtszunahme vermehrt Belastung aushalten. Wie bereits beschrieben erweicht das Gewebe im ganzen Körper. Auch die Muskulatur, die Faszien und Bänder des Fußes sind davon betroffen. Und dann sind da noch die geschwollenen Füße, die in fortschreitender Schwangerschaft auftreten. Wie kommt es dazu?:
- Mit zunehmendem Gewicht drückt dein Baby in der Gebärmutter liegend auf die tiefe Beckenvene. Der Blutrückfluß wird verlangsamt, das angestaute Wasser sucht sich einen anderen Weg und tritt aus den Gefäßen in die Gewebszwischenräume.
- Durch eine verminderte Konzentration des wasserbindenden Plasmaproteins Albumin im Blut kann Wasser nicht wie gewohnt in den Gefäßen gehalten werden. Flüssigkeit tritt vermehrt in die Zwischenräume des Körpers.
- Das überschüssige Wasser sackt der Schwerkraft folgend, in die tiefsten Körperpartien (in diesem Fall die Füße) ab.
Nach Geburt ist es besonders wichtig, das Fußgewölbe wieder zu trainieren, um von Unten nach Oben wieder die Haltung zu verbessern. Das Fußgewölbe steht ausserdem im engen Zusammenhang mit dem Beckenboden. Trainierst du also dein Fußgewölbe, wird auch dein Beckenboden stärker!
Status Quo nach Geburt
Es kommt nicht darauf an, was dein Arzt sagt oder was laut Empfehlungen ab welcher Woche nach Geburt gemacht werden darf. Natürlich gibt es sinnvolle Zeitangaben, die sich an Wundheilungsphasen des Gewebes orientieren und Rücksicht nehmen auf natürliche Rückbildungsprozesse des Körpers nach der Geburt, wie beispielsweise die Rückbildung der Gebärmutter (6-8 Wochen).

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Ziel sollte es sein, eine Wahrnehmung für sein eigenes Befinden und seinen veränderten Körper zu entwickeln. Durch die heutige schneller, besser, weiter Mentalität wird Mama mächtig unter Druck gesetzt. Nimm dir die Zeit die du brauchst, um körperlich wie auch seelisch bei dir anzukommen. Dann dauert es eben länger als gedacht und beschrieben, bis manche körperliche Aktivitäten wieder möglich sind und sich gut anfühlen. Vielleicht werden tatsächlich mache Aktivitäten nicht mehr so möglich sein wie zuvor. Aber ich verspreche dir, es werden Neue hinzukommen, die genauso (oder sogar viel mehr) Spaß und Freude bringen werden!
Rückbildungskurs: WO, WIE, WANN
Zum Abschluss eine kleine Liste, die ich für wichtig halte, wenn es um das Thema Rückbildung geht:
- Beginne mit der Rückbildung erst nach 6-8 Wochen, je nachdem wie die Geburt verlaufen ist und welche Geburtsverletzungen du hattest.
- Achte bei dem Anbieter darauf, das er geschult ist in dem Thema Rückbildung und bestenfalls auch aus einem medizinischen Beruf kommt.
- Vermeide Übungen, in denen du dein Baby von Beginn an auf dem Arm trägst. Übungen mit Kind, sind Progressionen, wenn du schon sicher und stärker geworden bist.
- Sei achtsam mit dir und deinem Körper. Höre darauf was dir jetzt gerade gut tut und vor Allem, was dir nicht gut tut. Rückbildung ist kein Wettkampf!
- Die Kursübungen sollten den ganzen Körper trainieren, nicht nur Beckenboden und Bauch adressieren.
- Wähle DEINE Intensität, Wiederholungs- und Serienzahl nach der Devise: Fordere dich aber überfordere dich nicht!
- Der Wunsch andere Mütter kennenzulernen ist groß, aber konzentriere dich im Kurs auf dich und dein Befinden. Kontakte knüpfen kannst du vor und nach der Kurseinheit!

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Ab dem 04.03.2021 startet mein Yoga nach Geburt Kurs (leider erstmal nur Online). Ein Einstieg ist jederzeit möglich! Die Kosten der ersten 10 Termine, die du in Folge besuchst, werden dir von der Krankenkasse anteilig zurückerstattet. Mein Ziel ist es, dich nach der Geburt deines Kindes ganzheitlich abzuholen. Wir trainieren den Körper, beruhigen den Geist und genießen die Pause. Es bleibt Raum, um über alltägliche Mama- Freuden, Sorgen, Ängste, Emotionen – und was dich sonst so bewegt zu sprechen und Kontakte zu knüpfen.
Ich freue mich auf dich! Vielleicht wird’s nicht wie früher, aber anders kann auch besser sein!
MOVE. PAUSE.SMILE.
Tilla