Gleich der erste Beitrag wird eine sehr emotionales Thema anschneiden. In einem sehr persönliche Gespräch teilt eine Mutter mit mir ihre Gefühle und Sorgen. Sie schildert ihre Gedanken über Geburt und das Mamasein. Eindrücklich erzählt sie von den Geburten ihrer beiden Kinder. Erlebnisse, die sie bis heute bewegen und prägen:
Was mich momentan beschäftigt ist welche Schule meine Kinder besuchen werden. Eigentlich ist es aber total nebensächlich, denn im Hamsterrad-Mama ist man immer auf der Suche nach dem Besten für seine Kinder
Und das beginnt bereits in der Schwangerschaft. Da bekommt man dieses Mama Päckchen aufgeschnürt. Mit vielen schönen Sachen, aber eben auch mit vielen Ängsten, Unsicherheiten und Glaubensätzen.
Sie gehört zu den Müttern, bei denen die Geburten eben nicht wie von Mutter Natur leicht waren, wo der erste Moment nicht nur von Mutterglück erfüllt und die folgenden Monate eher geprägt waren von Überforderung und Ängsten anstatt herzwärmendes Mamasein.
Mit Geburt bekommt Mama dieses Päckchen, ob sie will oder nicht, gefüllt mit Liebe und Glück, mit Unsicherheiten, Fragezeichen und eben auch Ängsten und Sorgen symbolisch in die Hand gedrückt!
Ein enormer Druck, den man sich selbst da macht und der auch von Außen auf einen aufgebaut wird.
Glaubenssätze wie: Frauen machen das schon immer, sie sind dafür gemacht! Du wirst dann schon wissen wie das funktioniert. Alles wird super sein – Happy Baby – Happy Mama.
Wenn alles ganz anders läuft wie gedacht
In Ordnung, nicht jedes Kind kommt zum errechneten Termin auf die Welt. Jedoch wartet Frau ungeduldig, wann es denn nun endlich losgeht. Da stellt sich bei ihr schon die erste Enttäuschung ein. Wo bleiben die Wehen? Auch nach der Einleitung passiert nicht viel, ihr Muttermund öffnet sich nicht.
Was ist denn nun bei mir Falsch? Irgendwie alles anders wie im Film – dort platzt die Fruchtblase und das Kind ist quasi da.
Sie erhält wenig Informationen von Seiten der Hebammen. Das verstärkt die Unsicherheit und das Gefühl der Unfähigkeit in den nächsten drei Tagen. Zwar nehmen die Wehen zu, doch alle Übungen aus dem Geburtsvorbereitungskurs helfen wenig, um die Schmerzen zu lindern und die Geburt vorwärts zu bringen. Erneut steigt das Gefühl des Versagens! Plötzlich, nach drei qualvollen, langen Tagen, geht alles ganz schnell:
Wieder wenig Informationen; in großer Hektik wird ein Notkaiserschnitt geplant. Auch kurz vor der Narkose gibt es keine weiteren Erklärungen.
Und dann wachst du auf, siehst im Zimmer deine Verwandten sitzen mit deinem Kind auf dem Arm. Dein süßes Kind, sagen sie – wow ich bin jetzt Mutter!
Im ersten Moment stellte sich das Gefühl ein, als hätte jemand mein Kind aus dem Bauch gerissen, erzählt sie. Weiterhin in der Rolle der Ahnungslosen, fühlt Frau sich wie eine Außenstehende. Und schon wieder dieser innere Druck: Wo ist dieses Gefühl des Glücks, welches von Mama doch hormonell gestützt, vorhanden sein sollte?
Es war kein schöner Moment für mich. Ich heulte, nicht vor Glück, sondern vor kompletter Überforderung. Ich habe ein kleines Kind was mache ich jetzt damit?
Es ist keine Ruhe. Ständig Besuch und weitere Momente der Überforderung. Mit dem ersten Stillen funktioniert es nicht immer gleich. Anstelle von wärmenden, unterstützenden Worten kommen wildfremde Damen, die sogenannten Stillberater-Profis, und üben auf die überforderte Mutter weiter Druck aus:
Das Kind muss trinken! Ich musste mich halb nackt ausziehen und wurde wie eine Kuh zum Stillen gezwungen. Aus einem schönen und intimen Moment ist eine Demütigung geworden. Hinzu kamen die Schmerzen der Sectio Narbe, der viele Besuch über die ersten Tage. Ich wollte schreien, alleine gelassen werden! Irgendwie verstumpft man, geht unter in den Emotionen; fühlt sich exotisch, weil es eben nicht so ist wie man es sich vorgestellt hat und alle erzählen. Man passt nicht rein in das Bild der Happy Mama.
Rückblickend ist sie erschrocken über ihre damalige Lethargie, über ihre Passivität. Sonst ist sie eine taffe Frau, die mit beiden Beinen im Leben steht und weiß sie braucht und möchte.
Irgendwie lässt Frau alles über sich ergehen anstatt zu sagen: Hey stop, Moment! Gib mir Zeit!
Auch ihr Partner war überfordert mit dieser Erfahrung Geburt, jedoch hat er die Tage danach anders wahrgenommen. Obwohl sie sich sehr vertraut sind, hat sie ihre Ängste und Sorgen, ihre Gedanken nicht teilen können. Sie ist in ihr kleines Scheckenhaus gekrochen, in einer Art Schonhaltung hat sie alles Emotionale für sich behalten. Wollte nicht als verletzlich, als anders angesehen, sondern als starke Mama wahrgenommen werden.
Selbstbestimmend, entscheidend, lenkend
Auch die zweite Geburt wurde ein Kaiserschnitt. Diesmal jedoch geprägt mit vielen positiven Erlebnissen. Von Anfang an lief alles anders, erzählt sie mir:
Bewusst entschied sie sich für eine andere Klinik, mit neuem Personal und einer Hebamme, die sie eng betreute. Vorab gab es Raum über Sorgen und Ängste zu sprechen. Der Entschluss, natürlich zu gebären wurde genauso thematisiert, wie die mögliche Option eines Kaiserschnittes.
Wichtig war mir, ein Mitspracherecht zu haben. Das Gefühl bis zu einem gewissen Punkt entscheiden und lenken zu können.
Diesmal wurde es eine Kaiserschnitt unter PDA. Sie durfte ihr Kind als erstes im Arm halten, den Moment mit ihrem Partner genießen. Nach der Geburt gab es nur Zeit für ihre kleine Familie, die Verwandten mussten warten.
Und dennoch hätte ich gerne eine normale Geburt gehabt!
Wieso ist dieser Wunsch einer natürlichen Geburt so stark? Weshalb gibt es dieses Gefühl, etwas verpasst zu haben, nicht Frau genug zu sein? Macht das wirklich eine Frau, eine Mutter aus? Der Druck ist groß, denn über viele, viele Jahre haben Frauen auf natürlichem Weg Kinder geboren. Das Gebären ist jeder Frau gegeben – oder nicht? Ein unfassbarer Druck, den Frau sich da selbst aufbürdet und der multimedial und – sozial propagiert wird!
In diesem eingeschworenen Mama-Kreis der natürlich Gebärenden fühlt man sich als Außenseiterin! Eigentlich vollkommen bescheuert, diese Gedanken. Weshalb so mit sich hadern, immerhin habe ich gesunde Kinder!
Eine tiefe Traurigkeit beherrscht sie, wenn Mütter von ihren natürlichen, schönen Geburten erzählen. Das möchte man nicht hören, möchte es nicht unter die Nase gerieben bekommen, wie unkompliziert die Geburt war.
Nicht das ich es den Mamas nicht gönne, jedoch habe ich dann immer meine schlimmen Geburtserfahrungen vor Augen. Ich möchte nicht jedem meine Geschichte erzählen und brauche vor allem keinen Konkurrenzkampf, keinen Vergleich.
Mehr Taktgefühl und Empathie wäre für Mamas, die schwere Geburtserlebnisse hatten, hilfreich und wünschenswert! Die junge Mutter wird von sich aus von ihren Erlebnissen erzählen, wenn sie möchte.
Mir hätten die Glückwüsnche zum Baby gereicht, stattdessen kommen Fragen wie: Wie lief deine Geburt? Wie schnell ging es bei dir?
Jede Geburt hat ihre schwierigen und negativen Seiten. Jedoch ist das weiter ein großes Tabuthema und wird dann doch von vielen Eltern verschwiegen. Auch von den Hebammen wird hauptsächlich von der natürlichen Geburt gesprochen und die ganzen Komplikationen oft nur so im Nebensatz verpackt. Das verunsichert und macht Angst.
Ich wünsche mir da mehr Aufklärung, damit ich auf alle Szenarien vorbereitet bin. Meine zweite Hebamme hat viel mit mir über mögliche Schwierigkeiten gesprochen. Das hat mir das Gefühl gegeben besser vorbereitet zu sein.
Dennoch sollte jede Frau auch mit einem guten Gefühl sagen können, ich kann mitentscheiden! Natürlich ist irgendwann der Punkt erreicht, wo Frau die Kontrolle in die Hände des medizinischen Teams abgeben muss.
Während der zweiten Geburt habe ich mit meiner Hebamme telefoniert. Das hat mir unglaubliche Kraft gegeben und mich bestärkt in der Entscheidung einen Kaiserschnitt zu wollen.
Eine Geburt ist ein Kraftakt, eine Grenzerfahrung, die lebensbedrohlich sein kann. Eine Geburt sollte deshalb nicht nur beschönigt werden, sondern realistisch dargestellt werden. So kann sich die werdende Mutter auf mögliche Szenarien einstellen.
Nach der Geburt ist vor der Geburt
Wie verarbeitet Frau nun also das Geburtspäckchen, wie findet sie sich in ihre Rolle ein? Gibt es professionelle Anlaufstellen die helfen können?
Ich habe keine Anlaufstelle, bei der ich über meine Geburtserlebnisse sprechen konnte gefunden. Da konnte mir auch meine Hebamme nicht weiterhelfen!
Tatsächlich geht es vielen jungen Müttern so. Es bleibt keine Zeit, das Thema Geburt zu verarbeiten – aufzuarbeiten, da viel Energie in die Pflege und Hege des Babys geht und das Leben einfach so weiterläuft.
Mich hat das dann alles wieder eingeholt nach einer gewissen Zeit. Gerade als ich zum zweiten Mal schwanger wurde dachte ich: Das muss doch diesmal besser klappen!
Neben der fehlenden professionellen Betreuung wird in der Gesellschaft und im sozialem Umfeld wenig darüber gesprochen. Manche Frauen rutschen so in Depressionen oder erleben eine totalen Einbruch.
Es wird unter den Tisch geschoben und vergessen – weil immer was los ist, weil Mama funktionieren soll. Das es einfach mal alles mies ist, alles scheiße läuft ist schwer zu verstehen.
Auch wenn es nicht immer gleich in einer pathologischen Kategorie namens Depression endet ist da dieses Päckchen, das belastet und bedrückt. Ein Gefühl, das einen begleitet und das anhält.
Trotz all dieser Erfahrungen möchte sie ein weiteres Kind. Welche Gedanken und Emotionen kommen da hoch, bei dem Gedanken an eine Geburt?
Natürlich beginnt sofort wieder das Hamsterrad! Der Wunsch natürlich zu gebähren ist immer noch total präsent! Auf der anderen Seite weiß ich nicht, ob ich dieses Spiel nochmal spielen möchte: Die Unsicherheiten, die Angst, die Enttäuschung. Vielleicht ist ein geplanter Kaiserschnitt da entspannter.
Ein geplanter Kaiserschnitt, eine bewusste Entscheidung, der Frieden bringen kann in das ständig drehende Hamsterrad. Selbstbestimmend einen Termin zu wählen, ein positives Geburtserlebnis haben, den Moment mit genießen. Die Daumen sind gedrückt, das deine Wünsche in Erfüllung gehen!